Zusammenfassung
Die Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte (PSNV-E) sorgt dafür, dass diejenigen, die helfen, selbst gesund bleiben – auch seelisch.
Fürsorge als Fundament professioneller Einsatzkultur
Einsatzkräfte erleben in ihrem Dienstalltag häufig Situationen, die weit über das hinausgehen, was Menschen im normalen Leben erfahren. Damit Rettungshundestaffeln, Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei oder Katastrophenschutz ihre anspruchsvolle Aufgabe langfristig erfüllen können, braucht es mehr als technische und medizinische Kompetenz – es braucht Fürsorge. Die Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte (PSNV-E) sorgt dafür, dass diejenigen, die helfen, selbst gesund bleiben – auch seelisch. Der folgende Beitrag zeigt, warum PSNV-E heute unverzichtbar ist, wie sie sich entwickelt hat und welche Strukturen, Prinzipien und Ausbildungen ihr zugrunde liegen.
1. Hintergrund und Bedeutung
Einsatzkräfte sind in ihrem ehrenamtlichen / im Berufsalltag regelmäßig mit extremen Situationen konfrontiert: schwere Unfälle, Katastrophen, Tod oder Verletzungen von Menschen – manchmal sogar von Kolleginnen und Kollegen. Diese Erlebnisse können psychisch stark belasten und langfristige Folgen haben. Posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen oder Burnout sind keine Seltenheit.
Die Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte (PSNV-E) hat deshalb das Ziel, diese psychischen Belastungen frühzeitig zu erkennen, ihre Folgen zu mindern und die Einsatzfähigkeit dauerhaft zu sichern.
2. Entwicklung der PSNV-E in Deutschland
Die Bedeutung der psychosozialen Unterstützung von Einsatzkräften wurde in Deutschland vor allem nach mehreren Großereignissen zu Beginn der 2000er Jahre deutlich. Der Amoklauf in Erfurt, das Elbe-Hochwasser 2002 oder der Terroranschlag vom 11. September 2001 zeigten, dass auch Helferinnen und Helfer Unterstützung benötigen.
Unterschiedliche Organisationsformen und Qualitätsniveaus führten damals zu einem nationalen Konsensusprozess unter Federführung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Ergebnis war die Festlegung bundesweiter Qualitätsstandards und die klare Trennung zwischen PSNV für Betroffene (PSNV-B) und für Einsatzkräfte (PSNV-E). Seitdem ist PSNV-E ein fester Bestandteil des Gesundheits- und Arbeitsschutzes in Einsatzorganisationen.
Derzeit gibt es jedoch noch keinen direkt bundeseinheitlichen Standard trotz der erfolgten Festlegungen. Gerade die Ausbildungen im Bereich des Leiters PSNV werden sehr unterschiedlich ausgebildet, insbesondere was den zeitlichen Aufwand betrifft.
3. Strukturen und Maßnahmen der PSNV-E
PSNV-E ist ein mehrstufiges System aus vorbeugenden, begleitenden und nachsorgenden Maßnahmen. Es setzt auf drei zentrale Bausteine: Vorbereitung, Begleitung und Nachsorge.
- Primäre Prävention – Vorbereitung: Schulungen, Informationsveranstaltungen und Trainings bereiten Einsatzkräfte auf psychische Belastungen vor. Sie fördern Selbstwahrnehmung, Resilienz und psychische Erste Hilfe.
- Sekundäre Prävention – Einsatzbegleitung: Während des Einsatzes unterstützen PSNV-Teams die Einsatzleitung und erkennen Anzeichen von Überlastung.
- Nachsorge – Nach dem Einsatz folgen strukturierte Gespräche wie Defusing oder Debriefing, um Belastungen zu verarbeiten und Bewältigungsstrategien zu fördern.
4. Grundprinzipien der PSNV-E
PSNV-E folgt einigen zentralen Leitgedanken, die ihre Wirksamkeit prägen:
- Salutogenese: Nicht die Krankheit, sondern die Gesundheit steht im Mittelpunkt. Ziel ist es, vorhandene Ressourcen zu stärken und persönliche Bewältigungsstrategien zu aktivieren.
- Peer-Prinzip: Unterstützung erfolgt durch speziell geschulte Kolleginnen und Kollegen (Peers), die selbst Einsatzerfahrung besitzen. Dadurch entsteht Vertrauen und Akzeptanz.
- Vertraulichkeit und Freiwilligkeit: Alle Maßnahmen sind freiwillig und unterliegen der Schweigepflicht. Nur so kann offener Austausch gelingen.
- Feldkompetenz: PSNV-Teams müssen die Strukturen und Abläufe der jeweiligen Organisation kennen, um wirksam handeln zu können.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) betont in seinen Leitlinien zur Psychosozialen Notfallversorgung, dass die psychosoziale Prävention im Einsatzalltag einen grundlegenden Bestandteil der Fürsorgepflicht gegenüber den eigenen Einsatzkräften darstellt. Diese Fürsorge umfasst nicht nur akute Unterstützungsmaßnahmen nach belastenden Einsätzen, sondern beginnt bereits im täglichen Dienstgeschehen. Dazu gehört die verbindliche Einbindung psychosozialer Prävention in die bestehenden Organisationsstrukturen sowie die Sicherstellung gesundheits- und ressourcenerhaltender Arbeitsbedingungen innerhalb der jeweiligen Einsatzorganisation.
Nur wenn psychosoziale Aspekte dauerhaft in Führung, Ausbildung und Einsatzvorbereitung integriert sind, kann eine nachhaltige Kultur der Fürsorge und seelischen Gesundheit entstehen.
5. Warum speziell für Einsatzkräfte?
Einsatzkräfte unterscheiden sich von anderen Betroffenen: Sie erleben Belastung nicht einmalig, sondern wiederholt – manchmal über Jahrzehnte hinweg. Hinzu kommt die berufliche Erwartung, in jeder Lage handlungsfähig zu bleiben. Gerade dieses professionelle Selbstverständnis führt oft dazu, dass psychische Belastungen verdrängt oder verharmlost werden. PSNV-E bietet hier einen geschützten Rahmen, um offen über Erlebtes zu sprechen, ohne Angst vor Stigmatisierung oder Konsequenzen. Typische Belastungsfaktoren sind Einsätze mit Kindern, der Tod von Kolleginnen oder Kollegen, moralische Konflikte, Eigengefährdung oder das Gefühl, nicht genug getan zu haben. Auch organisatorischer Stress, lange Einsätze oder fehlende Kommunikation können zu Erschöpfung führen.
PSNV-E hilft, solche Erfahrungen frühzeitig zu verarbeiten und langfristige Schäden zu vermeiden.
6. Ausbildung und Qualifikation
Die Ausbildung in der PSNV-E erfolgt bundesweit nach einheitlichen Standards. Sie ist modular aufgebaut und vermittelt sowohl theoretisches Wissen als auch praktische Kompetenzen.
- Grundausbildung: Grundlagen der Psychotraumatologie, psychische Erste Hilfe und Kommunikation.
- Aufbauseminare: Qualifizierung für eine Einsatzfachkraft, Peer-Tätigkeit, Gruppeninterventionen und Nachsorgegespräche.
- Fortbildungen: Vertiefung spezieller Themen wie Suizidprävention oder Großschadenslagen.
Teilnehmende sollten über Einsatzerfahrung, emotionale Stabilität und Teamfähigkeit verfügen. Neben Peers sind auch psychosoziale Fachkräfte Teil der Teams. Während Peers als erfahrene Kolleginnen und Kollegen arbeiten, übernehmen Fachkräfte mit psychologischem, sozialpädagogischem oder medizinischem Hintergrund die fachliche Leitung.
7. Fazit: PSNV-E als Bestandteil moderner Einsatzkultur
Die Psychosoziale Notfallversorgung für Einsatzkräfte ist heute fester Bestandteil einer modernen Einsatzkultur. Sie steht für Verantwortung, Fürsorge und Respekt gegenüber den Menschen, die täglich unter extremen Bedingungen handeln. PSNV-E schützt nicht nur die Gesundheit der Einsatzkräfte, sondern erhält auch deren Einsatzfähigkeit und trägt damit zur Sicherheit der Bevölkerung bei. Entscheidend ist, dass PSNV-E kein Zusatzangebot bleibt, sondern als selbstverständlicher Teil der Organisationsstruktur verstanden und von Führungskräften aktiv unterstützt wird.
Gesund in den Einsatz zu gehen und gesund zurückzukehren – körperlich wie psychisch – sollte das Ziel jeder Einsatzorganisation sein.
PSNV-E ist dabei kein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck professioneller Stärke.
BRH Bundesverband Rettungshunde e.V.

Der BRH Bundesverband Rettungshunde bietet bereits auf Initiative seines Präsidiums-Mitglieds Prof. Dr. Henri Paletta seit 2023 PSNV-E-Ausbildungen für Einsatzkräfte des BRH an. Hierzu wurde ein eigener Fachbereich gegründet, der von Franziska von Freymann geleitet wird.
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BRH Bundesverband Rettungshunde e.V.
Siehe auch
Quellen
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